Die Ethik der Tiere

»Füchse sind mustergültige Eltern und treue Ehegatten«

Günther Schumann berichtet in den Büchern »Mein Jahr mit den Füchsen« und »Leben unter Füchsen« seine jahrelangen Beobachtungen einer Fuchsfamilie und ihres Anhangs - und brachte bemerkenswerte und erstaunliche Einblicke in das Familienleben und das Verhalten der Rotfüchse ins Licht der Öffentlichkeit. Das entsprechende Vertrauen aufzubauen gelang anfangs über die Darreichung kleiner Leckerbissen und insbesondere durch stetige, ausdauernde und einfühlsame Kontaktaufnahme. »Dadurch wurden Beziehungen zwischen Mensch und Wildtieren möglich, die - besonders beim Fuchs - bisher in freier Wildbahn kaum vorstellbar waren.« (Günther Schumann, Leben unter Füchsen)

Schumann schreibt, dass natürlich viele glückliche Umstände zusammentreffen mussten, um solch dauerhafte und durchaus freundschaftliche Verbindung zu einer so überaus scheuen Tierart zu bekommen: »Einer Tierart, die, wie der Fuchs, durch jahrhundertelange Verfolgung äußerst vorsichtig und misstrauisch geworden ist und sich dank ihrer Intelligenz, Lern- und Anpassungsfähigkeit immer wieder behaupten konnte.« Ohne das uneingeschränkte Vertrauen dieser freilebenden Füchse ihm gegenüber wäre ein Beobachten und Studieren aus allernächster Nähe unmöglich gewesen. »In das intime Familienleben von Wildtieren Einblick zu erhalten, ohne als störend oder gar gefährlich angesehen zu werden, erfüllt mit großer Freude und ist überaus beglückend.« Öfter, wenn Günther Schumann seine vierbeinigen Freunde besuchte und sich dort auf irgendeinem Baumstamm niederließ, setzten oder legten sich die Füchse in seine unmittelbare Nähe oder auch einige Schritte entfernt, um sich ausgiebig zu putzen, zu ruhen oder auch zu schlafen.

Die Füchsin Feline zeigt sich im Umgang mit dem Tierfreund so vertraut, dass sie ihn eines Tages zu dem Wurzelstock führt, in dem sie ihre Welpen untergebracht hat. »Unverhofft erschien in dieser Öffnung ein winziges, graubraunes Füchslein mit noch blauen Augen, schaute einen Augenblick scheinbar erstaunt auf meine Stiefel und verschwand flugs wieder im Bau.« (A.a.O., S. 58)

»Es bereitete viel Freude, den Kleinen beim täglichen Spiel, bei Balgerei und Jagerei zuzuschauen. Sie hatten zwichendurch auch ein großes Ruhebedürfnis und legten sich, meist einzeln, in der Nachbarschaft ihres Unterschlupfes schlafen. Hierzu suchten sie überwiegend gedeckt liegende freie Plätzchen auf, wo sie nach Möglichkeit die wärmenden Sonnenstrahlen nutzen konnten.« (A.a.O, S 26).

Nach wenigen Wochen wurden die Jungfüchse so zutraulich, dass sie aus der Hand des Tierfreundes Nahrungsbröckchen entgegennahmen. Seine Begegnungen mit der Fuchsfamilie hielt Schumann immer wieder in zahlreichen Fotos sowie in Filmaufnahmen fest. Dabei interessierten sich seine jungen Freunde sehr für seine Ausrüstung - und nicht selten konnte die Kamera nur in letzter Sekunde vor genauen Untersuchungen durch die spielenden Fuchskinder gerettet werden.
Ausgiebig konnte Schumann die Fellpflege der Fuchsmütter an ihrem Nachwuchs beobachten. »Es war sehr belustigend anzusehen, wenn sich die Welpen direkt vor ihrer Mutter aufstellten und mit drängelndem Körperkontakt ihr den Rücken, das Hinterteil oder den Kopf zur Körperpflege darboten. (...) Durchkämmte Molli das Fell eines ihrer Kinder mit den Zähnen, so hielt dasjenige, dem diese Pflege gerade zuteil wurde, oft den Kopf schief und die Augen genüsslich geschlossen. Das wirkte erheiternd menschlich.« (A.a.O., S. 35/36)

Einmal beobachtete der Tierfreund, wie eine Fuchsmutter ihrer erwachsenen Tochter vom Vorjahr das Fell pflegte, ohne von ihr aufgefordert worden zu sein: »Ein bemerkenswertes Sozialverhalten auch unter ausgewachsenen Füchsen.« (A.a.O., S. 41).

Füchse sind überaus soziale Tiere, die im Normalfall in Gruppen oder Einehe zusammen leben, die - sofern der Mensch Fuchs und Füchsin am Leben lässt - mustergültige Eltern und treue Ehegatten sind. »Wann immer dies möglich ist, ziehen beide Elternteile ihren Nachwuchs gemeinsam groß, und der sich eingehend mit Reineckes Verhalten beschäftigende Verhaltensbiologe Günter Tembrock konnte in einem Gehege mit zwölf Weibchen staunend beobachten, dass ein Rüde nur „seine“ Füchsin annahm.« (Dag Frommhold, Jägerlatein, S. 23/24)

Elf Jahre lang begleitete der Naturfotograf Feline
Elf Jahre lang begleitete der Naturfotograf Feline und ihre Familie mit seiner Kamera. · Bild: Günther Schumann